Das Altern

Das Überschreiten der biologischen Uhr.
Altern ist ein Prozess, welcher allen Dingen der Natur gegeben ist. Kein Material in unserem Universum ist vor dem Zerfall gefeit. Jedes atomare Teilchen, hat eine in sich begrenzte Bestandsdauer.
Bei den biologischen Zusammenschlüssen, welche man im Einzelnen als Zelle bezeichnet, hat der Alterungsprozess mit dem Bestand eines Teilchens oder Atoms nichts zu tun. Eine Körperzelle, muss seine gesamten Organellen im durchschnittlichen Zeitraum von 28 Tagen erneuern. Wenn eine Körperzelle ein gewisses Maß an Energie verstoffwechselt beginnt ein Prozess anzulaufen, den man als RNS Synthese bezeichnet, hierbei wird die DNS-Sequenz ausgelesen und kopiert. Die Zelle teilt sich und die RNS Kopie baut sich eine neue der vorherigen Sequenz gleichender Anordnung auf. Die alte Zelle stirbt ab. Bei Kindern und Jugendlichen geht dieser Vorgang besonders schnell, zumal hier die alte Körperzelle nicht abstirbt. Die Zunahme an Körperzellen, was wir als Wachstum bezeichnen, hat nach ca. 25 Lebensjahren sein Ende erreicht. Somit ist der Altrerungsprozess ein wenig erklärt. Altern ist eine notwendige Eigenschaft von Leben, ob es dem einen oder anderen passen mag, sei dahingestellt. Die Natur hat sich nicht um die Notwendigkeit des Alterns als solches und deren Überlebensfähigkeit bemüht - braucht sie auch gar nicht. Noch als unsere Vorfahren der wilden Natur ausgeliefert waren, verstarb ein Mensch an den Folgen von Verschleiß, Krankheit, Vergiftung oder an Unterernährung. In jedem Fall wurde er ein Fressen der Raubtiere. Das Überleben war eher der gesamten Art gegeben als den einzelnen Individuen, die nach menschlichen Maßstäben mehr zur inneren Ordnung beitragen. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines solchen Menschen, betrug nicht wesendlich mehr als 28-40 Jahre.
Durch die Erfindung der Landwirtschaft und Dorfgestaltung trat eine Besonderheit ein, viele Familien schlossen sich zu einer Sippe zusammen. Die Abschirmung der Sippen von außen, ermöglichte ihnen die Sicherheit, ihre älteren Angehörigen zu pflegen. Der Alterungsprozess wurde zu einer lohnenden Sache. Verdienst für ein anstrengendes Leben im Schutze des Stammes.

Durch die zunehmende Industrialisierung und die Notwendigkeit von Gelderhalt in allen Lebenslagen, musste die Altersversorgung aus der Familie ausgelagert werden. Die Stunde der Rentenzahlung begann. Verdienende Menschen erlangten durch vorherige Abgabe einer Monatsrate an der Rentenversicherung - eine Geldsumme, um ein unabhängiges Leben weiterführen zu können. Die jahrtausendlange Tradition der Altenpflege wird durch ein soziales Gesetz verdrängt.
Der Nachteil des mobilen Lebens der alten Menschen, liegt im besonderem Maße an der Inanspruchnahme von Leistungen der Gesellschaft, die jeder als junger Mensch von allein selbst bewältigen kann. Der Altersprozess ist nicht mehr ein Familiäres Problem, sondern betrifft die Gesellschaft insgesamt, abgesehen von den persönlichen Einschränkungen und der Einsamkeit die daraus resultiert. Wurde früher in der Familie, den alten Menschen eine gewisse Pflege zuteil, die allein schon durch die Anwesenheit aller Mitglieder ausreichend gesichert war, steht heute dem alten Menschen die Hilflosigkeit entgegen. Der gesamte Staat muss nun für die Grundversorgung aufkommen. Die anfänglich nur als kleiner Baustein angedachte Pflegeversicherung, wächst der Gesellschaft über den Kopf. Altern wird zu einem Problem der Jüngeren, die sich als Opfer ihrer eigenen Zukunft in der Gegenwart ausgenutzt fühlen.
Die Gesellschaft wird geteilt.
Wenn wir uns an die Zeit erinnern, wo die Gemeinschaft aller Mitglieder einer Familie zusammen lebten, aber gleichzeitig den Ausschluss der älteren Menschen in der heutigen Realität erkennen, wird einem klar, wie schnell wir uns in den letzten Jahrzehnten die Grenze des sozialen Ausschlusses annähren.
Die unterschiedlichen Formen von Lebensgewohnheiten, tragen dazu bei, den Altersprozess zu beschleunigen.
Rauchen, Alkohol, Stress, wenig Flüssigkeit, falsche Ernährung und zuletzt das Erbgut, schädigen die Haut soweit, dass eine schnelle Regeneration nicht mehr möglich ist. Mit Creme und Vitaminreiche Ernährung, kann das äußere Altern noch ein wenig aufgehalten, aber nicht gestoppt werden. Die wirklichen Ursachen des Alterns, liegen in der Synthese der Zellen selbst, denn bei jedem Teilungsvorgang, geht ein Teil von den Enden der DNS verloren. Die Zellen werden im zunehmenden Alter nicht mehr 100% nach Modell reproduziert. Hinzu kommt noch die Unfähigkeit der Zellen, zunehmenden Verschleiß durch einen verlagsamten Aufbau kompensieren zu wollen. Altern wurde in der Natur nicht vorgesehen, darum ist die Altersversorgung eine voraussetztende Erfindung der Gesellschaft um zu Bestehen.
Fassen wir noch mal zusammen:
In der Zeit, wo wir von Raubtieren gejagt wurden, oder wir uns als schwaches Mitglied unserer Familie nicht mehr behaupten konnten, war unser Erbgut nicht mehr vonnöten. Die Natur entschied sich für den Stärkeren.
Die Sesshaftigkeit der Frühmenschen, erlaubte es den entscheidenden Erfahrungswert der älteren Mitglieder einer Familie nutzbringend zu pflegen.
Kriege und Hungersnöte, zogen die Sippen zusammen, und schufen eine Basis der Erleichterung aller Seiten. Die Kindererziehung, wurde auch mit von den älteren Menschen übernommen.
Die Industrialisierung und die daraus resultierende Wertschätzung der Leistungsfähigkeit, verband die Erfahrung des älteren Menschen aus der näheren Lebens- und Leistungsgemeinschaft (Generationskonflikt).
Der Vorteil der Freiheit, offenbart Nachteile aller Seiten.
Pflege wurde per Gesetz, durch Pflegedienste, als Ersatz der generativen Fürsorge. Somit ist die Versorgung der Alten ein Messstein der Gesellschaft.
Altern in Vietnam.
Jedes Familienmitglied erhält in Vietnam einen Status, der nur durch zusätzliche Lebensjahre zu erhalten gilt. Selbst ein Polizist, der in einem Dorf eine Wohnung betritt, hat sich vor einem wesentlich älteren Menschen einer Verbeugung hinzugeben. Das Leben mit allen Mitgliedern der Familie ist ein Bestandteil von Geselligkeit. Wenn es etwas in einer Familie zu berichten gibt, dann wird der Älteste zuerst unterrichtet und deren Rat unbedingt befolgt. Bei Familienfeiern sitzen die Frauen mit den Kindern in der Küche, in der Weile die Männer in der Wohnstube auf dem Boden sitzen und Essen, sowie trinken. In der besten Position sitz der älteste Mann der Runde und beginnt zuerst zu essen. Er wählt in der Regel auch das Thema, welches zuweilen auch in verschiedenen Gesprächsrunden verläuft. Er hat immer das Wort! Die ältesten Frauen sitzen in der Wohnstube etwas weiter von den Männern, aber gesellen sich vorerst nicht zu den Frauen und Kindern in der Küche. Sie dienen sozusagen als Vorhut, wenn die Kinder auf dem Gedanken kommen, vor Abschluss der Männerrunde zu stören. Sie ermahnen aber auch den einen oder anderen Mann, der sich nicht in der Männerrunde integriert.

Altern ist in Vietnam ein Prozess der Zugehörigkeit, Vertrautheit und ein lohnendes Mittel zum Ansehen. Dafür ist die Rente in Vietnam nur ein Drittel vom Monatslohn, der in der Regel 50,- Euro beträgt.
© Peter Rentzsch